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Was tun, wenn sich Tiere an den Kulturpflanzen bedienen?

8.9.2020

Als ich 2006 mit dem Pflanzenanbau in der Sonnengärtnerei begann, versprach ich dem Land und allen seinen Bewohnern, dass ich niemand bekämpfen werde. Jedes Tier auf dem Land war mir willkommen. Ich hoffte sogar, dass sie im Gleichgewicht untereinander und mit den Pflanzen meine Verbündeten werden, die gemeinsam das Gleichgewicht halten und mir damit helfen, dass ich möglichst wenig Schäden und Ausfälle an der Ernte habe. Die großen und kleinen Tiere waren vor mir auf dem 15 Jahre brach liegenden Land. Ich war mit meinen Plänen der Eindringling, wollte aber nicht als solcher von ihnen gesehen werden und ging deshalb behutsam mit dem urbar machen vor. Zumindest bei den Ameisen gelingt mir das nicht immer.

Sonst habe ich dieses Versprechen bei fast allen Tieren eingehalten. Und es dauerte, bis sich das Gleichgewicht einstellte. Am Anfang war ja die Veränderung doch recht gravierend: Statt hohem Gras und Goldrute wuchsen auf einigen Flächen jetzt Kohl und Mangold. Das sprach sich schnell herum und bald fanden sich Schwärme von Rapsglanzkäfern ein. Die konnten schon dem Blumenkohl gefährlich werden. Aber ich hielt es aus. Denn nur dann gebe ich ihren natürlichen Feinden die Chance, sich ebenfalls einzufinden. Und das braucht etwas Zeit und Geduld. 

Als nächstes kamen die Kohlweißlinge. Bald war der Rosenkohl voller Raupen. Da fiel mir das Aushalten schon schwerer. Denn die Raupen fraßen innerhalb von drei Wochen die Blätter bis auf die Rippen kahl. Zum Glück erst spät im August, ich war ja überhaupt spät dran mit dem Anbau. Aber genau das war mein Glück. Denn trotz der Raupen hatten die Pflanzen im Sonnenjahr 2006 reichlich Sonnenenergie in Stärke angelegt. Die Raupen verpuppten sich und von da an bildeten die kahl gefressenen Pflanzen ihre Röschen aus. Es wurde eine meiner besten Ernten an Rosenkohl.

Im August pflanzte ich dann Grünkohl, den ich seit Mai vorgezogen hatte. Auch das sprach sich schnell herum. Beim ersten Unkraut jäten flogen überall von den Blattunterseiten weiße Fliegen auf. Es waren nicht nur Saugstellen an den Blättern, sondern jede Menge der grünen Larven, die offenbar ähnlich wie Blattläuse zuckerhaltigen Saft absonderten, auf dem Pilze wuchsen. Ich wurde etwas mutlos, denn diese Blätter konnte ich doch nicht mehr zum Verkaufen anbieten. Ich pflegte den Grünkohl trotzdem weiter, ein Gifteinsatz kam für mich nicht in Frage, auch nichts anderes. Der Grünkohl wuchs weiter, und nach dem ersten Frost Ende Oktober waren die weißen Fliegen verschwunden. Der Grünkohl wuchs trotzdem weiter und die jetzigen Blätter strotzten nur so vor Gesundheit. Die Mineralstoffe hatten die Pflanzen längst aus den befallenen ersten Blättern eingezogen und bei der Gelegenheit Antikörper gegen die weißen Fliegen gebildet, der Saft schmeckte ihnen nicht mehr. Auch hier hat sich das Aushalten am Ende ausgezahlt. Und es wurde eine sehr gute Ernte, den ganzen Winter über.

Nur bei einer Tierart habe ich mein Versprechen nicht immer eingehalten: Bei den Nacktschnecken. Ich habe zwar keine Nacktschnecken umgebracht, aber zeitweise doch in den Wald umgesiedelt. Das ist bereits eine Bekämpfung. Diese Tiere waren mir nicht mehr willkommen. Und es half nichts: Die Nacktschnecken schienen sich stärker zu vermehren, je mehr ich ihren Bestand dezimierte. Dieses Phänomen kenne ich auch von Blattläusen, Spinnmilben und Wanzen aus meiner Zeit im DDR-Gartenbau, wo diese Tiere mit Giften zu Millionen umgebracht wurden und ich mich dem noch nicht verweigert hatte. Sie waren alle nach kurzer Zeit immer wieder in voller Anzahl da, so viele, wie ich sie sonst in der Natur nie fand. Ich ahnte schon damals, dass wir mit dem Gift ihre Vermehrung förderten.

Die Schnecken bekämpfe ich seit 2018 nicht mehr. Wenn ich welche an meinen Jungpflanzen finde, trage ich sie zum Kompost, da haben sie reichlich abwechslungsreiche Nahrung und sind erst mal eine Weile beschäftigt. Sie helfen mir dort, den Kompost schneller in Erde umzuwandeln. In diesem Jahr bin ich dazu übergegangen, Jungpflanzen fast ausschließlich nur noch in meiner Wohnung zu säen (außer Direktsaaten wie Möhren, Radies und Pastinaken) und die pikierten und getopften Pflanzen hoch auf die Regale im Gewächshaus zu stellen. Dort kommen die Schnecken nicht so schnell hoch, ich muss aber aufpassen wegen Nachtfröste, die machen sich so dicht unter den Scheiben schneller bemerkbar, die Pflanzen müssen in Frostnächten also Frostschutz bekommen. Und sie sind stärker der Sonne ausgesetzt und müssen häufiger gegossen werden. Das machte sich in diesem Jahr mit mehr Zeitaufwand bemerkbar. Die Ergebnisse konnten sich aber sehen lassen. 

Der Anbau von Kohl ist nach wie vor schwierig mit Schnecken. Ich ging zu Direktsaat über, teils als Markiersaat von Möhren. Es war zu der Zeit aber schon zu trocken und so häufig, wie es nötig war, konnte ich die Pflänzchen nicht gießen. 

Auch im Juli gepflanzte Rucola waren innerhalb weniger Tage restlos aufgefressen. Ebenso ein paar Kohlrabipflänzchen. Nur Pflanzen, die so groß sind, dass sie die Fraßschäden der Schnecken durch neuen Zuwachs kompensieren, haben zufriedenstellende bis gute Ergebnisse. 2019 ist eine von 4 Zucchinipflanzen restlos aufgefressen worden. In diesem Jahr habe ich die drei Pflanzen so lange in den Töpfen gelassen, wie es ging, und siehe da: Alle drei sind groß geworden, sie waren schon zu groß für die Schnecken. 

Meine Kartoffeln sind in einigen Jahren nachts voll von Schnecken. Sie bilden aber so viel Kraut, dass man es tagsüber kaum bemerkt, was da nachts an Fressorgien statt finden. Und auch hier waren die Ernten bis 2017 gut. Ausfälle habe ich seit 2018 nur durch die Dürre.

Dies ist meine Herangehensweise. Ich sehe die ganzen Tiere als Mitbewohner, die auch leben wollen. Wir alle leben damit, dass verschiedene Institutionen, der Staat, die Krankenkasse, die Rentenkasse, die Unfallversicherung usw. etwas von unserem Einkommen, von unserer Ernte abhaben wollen. Mehr oder weniger selbstverständlich geben wir ihnen allen das, was ihnen zusteht. 
Was sich der Staat uns gegenüber herausnimmt, ist eigentlich auch nicht viel anders, als das, was in der Natur passiert. Jede Pflanze produziert reichlich, so dass viele etwas davon ernten und genügend für ihre Vermehrung bleibt. Wir Menschen produzieren reichlich, von dem Überfluss geben wir ein Teil an die Gesellschaft ab, die nur dann funktioniert, wenn das alles auf Gegenseitigkeit beruht. 

Genau das finde ich beim Pflanzenanbau in der Natur auch selbstverständlich. Auch die Tiere, die in der Sonnengärtnerei wohnen, bekommen ihren Teil der Ernte zum Leben ab. So habe ich ihnen nicht ihren Lebensraum und ihre Nachrung genommen, sondern nur für meine Ziele alles etwas umgestaltet. Dabei bleibt für mich auch noch genug übrig.

Deshalb sage ich den Leuten, die mich fragen, was man gegen diese oder jene Schädlinge machen kann:

Ich mache gar nichts. Gegen einzelne Tiere sowieso nicht. Ein paar Löcher in den Blättern verkraften die Pflanzen problemlos. Und Blattläuse gehen meistens dort hin, wo ohne sie zu starkes Wachstum wäre. Oft ersparen sie mir Rückschnitte. Allerdings unterstütze ich die Pflanzen darin, sich selbst zu wehren, wenn ihnen der Befall zu viel wird. Gegen pilzliche und bakterielle Krankheiten stärke ich die Pflanzen.

Und noch etwas: Ich sehe oft Parallelen zwischen sich stark vermehrenden Schädlingen und uns Menschen, die wir uns auch immer stärker vermehren. Und wir sind längst selbst zum Schädling geworden. Was lernen wir aus meinen Erfahrungen mit den Schädlingen im Gartenbau in Bezug auf unsere eigene Vermehrung und Schädigung der Biosphäre der Erde? 

 

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