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Sehnsüchte nach guten alten Zeiten

Stand 18.1.2022

Es war im Jahr 2004, da begegnete mir das erste Mal jemand, der mir erklärte, das deutsche Reich von 1918 würde noch existieren. Da ich mich bis dahin noch nie tiefer mit dem Thema beschäftigt hatte, konnte ich auch die damaligen Schriften im Internet kaum nachvollziehen. 

Ähnliche Ansichten begegneten mir hin und wieder in Gruppen von Menschen, die nach einfachem Leben mit der Natur suchten. Allen gemeinsam war eine tiefe bis innige Verbundenheit mit der deutschen Heimat, die mich einerseits immer wieder beeindruckt, die mir aber auch lange Zeit fremd und abschreckend war, weil es nicht mein Heimatland war. Mein Heimatland war die DDR, und die wurde 1990 aufgegeben. Ich gehörte zu den Menschen, die 1989 hier geblieben waren, nicht weil ich den Sozialismus retten wollte - den Sozialismus fand ich zwar besser als den Kapitalismus, es war die Verbundenheit mit meinem Heimatland, die mich hier blieben ließ. 1990 verließen wir dann doch alle auf Grund von Verträgen und Beschlüssen alle unsere Heimat, aber nicht alle wollten das. Es war das erste Lehrstück über Demokratie, die es der Mehrheit recht macht, aber nicht allen. Und wenn die Demokratie höher gewertet wird, als die Verbundenheit mit der Heimat, vergisst man so etwas nicht. 

In dem Land BRD, in dem wir alle am 3. Oktober 1990 zwangsumgesiedelt wurden, habe ich mich zurecht gefunden, zum Trauern über das verlorene Land bin ich nicht lange gekommen, denn der Naturschutz, der bei der Vereinigung den Bach runter zu gehen drohte, stand für mich im Vordergrund. Diese Liebe zur Heimat, zu den Flüssen und Bächen und Wiesen und Wäldern, zu den Vögeln, Waldtieren, Fröschen und Fischen, zur Natur, hat mir den Übergang erleichtert. Inzwischen lebe länger in der BRD als in der DDR. Von daher ist mein Heimatland, in dem ich groß geworden bin, zu einer reinen Erinnerung geworden. 

Eine Zeit lang habe ich die Erde als meine Heimat gesehen. Aber das meiste ist weit weg für mich. Das trifft auch auf Deutschland zu. Inzwischen sehe ich das Land Brandenburg als meine jetzige Heimat, zu der ich in den letzten 31 Jahren eine neue Form von Verbundenheit entwickelt habe. Ich vermisse aber nach wie vor das solidarische Leben und Handeln für unser Land. Jeder versteht unter dem, was gut für unser Land ist, etwas anderes. Nichts gegen das Ringen um den für alle besten Weg, das konnten wir in der DDR auch gut und mitunter intensiv, auch wenn sich das immer weniger Menschen vorstellen können. Aber heute bestimmt die Mehrheit, was gemacht wird, und das ist nicht immer gut für das Land. So ist es nicht verwunderlich, dass man offen wird für alternative Gesellschaftssysteme. 

Am häufigsten wird zurzeit das angeblich noch immer bestehende Deutsche Reich mit dem Stand vom 27. Oktober 1918 propagiert. Ich habe mir das deshalb in den letzten 2 Jahren alles genauer angesehen. 

Der Grund, warum wir uns damit ernsthaft auseinander setzen sollten, ist zuerst eine fehlende Unterschrift unter der Abdankung des Kaisers 1918, nämlich die des Notars: Die Abdankung wurde nie beglaubigt und ist damit nie formell rechtswirksam geworden. Wenn man dieser Argumentation folgt, sind die "Reichsbürger" nicht nur vereinzelte Menschen, die sich aus dem System BRD ausklinken wollen. Wenn das deutsche Kaiserreich noch existiert, sind alle Einwohner Deutschlands Reichsbürger, zumindest in dem Sinn, dass sie für das Reich bürgen. Ich glaube allerdings nicht, dass man das 102 Jahre später an einer fehlenden Unterschrift festmachen kann. Dazu komme ich am Ende noch mal. 

Ich sehe mir Gesellschaftssysteme ja zuerst als Naturschützer an. Den Geist der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro 1992 habe ich erst zehn Jahre später erkannt. Auf der Konferenz hat man erkannt, dass Umwelt- und Naturschutz mit der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung aller Länder zusammen gedacht werden müssen. Ich habe das auf einer Ausstellung der Lokalen Agenda in Wismar im Jahr 2002 erfahren und war begeistert davon, weil ich genauso dachte. 1992 beschlossen die Länder dann das Ziel, die Welt, jedes einzelne Land in mindestens dem Zustand der nächsten Generation zu übergeben, in dem sie es von der vorhergehenden Generation erhalten haben. Das sollte dann in jeder Provinz, in jeder Stadt und in jedem Dorf umgesetzt werden. Umgesetzt wurde das dann zumindest teilweise über die Gründung Lokaler Agenden. Und dieses Ziel und diese ganzheitliche Herangehensweise war für mich der Anlass, im Jahr 2003 die Lokale Agenda 21 in Fredersdorf-Vogelsdorf zu gründen. 
Dieses hohe Ziel, diesen Geist von Rio habe ich seit 1992 in keiner der nachfolgenden Umweltkonferenzen mehr gefunden. Die Sehnsucht danach ist bis heute geblieben. 

Was hat das alles nun mit dem Kaiserreich zu tun? 

Ein Grund, warum das nachhaltige Wirtschaften mit Blick auf die nächste Generation in der Demokratie nicht funktioniert, ist die Tatsache, dass jeder gewählte Volksvertreter nur 4, 5 oder maximal 8 Jahre voraus planen kann, zumindest für sich selbst, und das ist leider das Entscheidende. Das Handeln der Mandatsträger in Städte, Gemeinden, Landkreisen und Parlamenten ist auf Erfolge innerhalb einer Wahlperiode gerichtet, einschließlich auf den Erfolg der Wiederwahl. Das war in der DDR anders. Da waren die Menschen mit Entscheidungsgewalt in der Regel länger an der Macht und mussten deshalb mitunter auch langfristige Folgen ihrer Entscheidungen ausbaden. Und deshalb waren die Menschen in den Behörden und selbst in der SED oft offen für konstruktive Kritik.

Bei der Monarchie wird das noch interessanter. Auch wenn geschichtliche Überlieferungen angefangen von der Bibel von guten und miserablen Königen schreiben, grundsätzlich waren doch alle Könige auch Eltern, die ihren Kindern ihr Reich so übergeben wollten, dass sie es zumindest nicht schlechter regieren können. Also wie später im Geist von Rio 1992. Das ist also ein Grund, sich zumindest das deutsche Kaiserreich mal genauer anzusehen. 

Das Deutsche Reich ab 1871 war keine reine Diktatur eines Kaisers. Der Kaiser konnte nur zusammen mit dem Bundesrath und dem Parlament, dem Reichstag regieren. 
Der Bundesrath ähnelte in der Zusammensetzung dem heutigen Bundesrat, nur dass er nicht aus den Ministerpräsidenten sondern aus den Fürsten der Bundesländer bestand. Diese Landesfürsten regierten über Jahrzehnte, mussten also jede ihrer Entscheidungen auf die langfristigen Folgen hin prüfen. 
Der Reichstag wurde frei gewählt, ähnlich wie heute der Bundestag. 
Die eigentliche Regierungsgeschäfte wurden vom Reichskanzler und seinen Ministern durchgeführt. 

Ein Schwachpunkt war das fehlende Frauenwahlrecht, und damit komme ich zu den wackligen Füßen, auf denen die Theorie vom Weiterbestand des Reichs steht. 

Folgt man dieser Theorie, dann sind alle nach dem 27. Oktober 1918 erlassenen Gesetze ungültig. Würde man den Schritt um 102 Jahre zurück gehen, wäre nicht nur das Frauenwahlrecht außer Kraft, sondern sämtliche Naturschutzgesetze, die wurden nämlich erst ab 1920 erlassen. Das ist zumindest nicht in meinem Sinn. Aber bei so weitreichenden Fragen geht es nicht nur um die Ansichten eines Gärtners und Naturschützers. 

Viele Menschen, die das Deutsche Reich als noch existierend propagieren, sehen dabei auch die Staatsgrenzen mit Stand von 1918 als einzig rechtsgültig. Mal ganz abgesehen von der Frage, ob diese Leute in einer Traumwelt leben oder die letzten 102 Jahre verschlafen haben oder beides - spätestens ab hier finde ich solche Gedanken brandgefährlich. Seit mindestens 3 Generationen leben Polen, Russen und Tschechen in den ehemals deutschen Gebieten. Mindestens zwei Generationen wurden in ihnen geboren, sehen sie also als ihre heutige Heimat. Was das bedeutet, habe ich am Anfang geschrieben. Diese Gebiete jetzt als deutsch zu beanspruchen ist de facto ein Angriff auf die Heimat ihrer heutigen Bewohner. 

Schauen wir noch mal zurück auf das Ende des 1. Weltkrieges. Die Republik wurde 1918 ausgerufen, bevor der Kaiser abgedankt hatte. Das hatte damals genau die Gültigkeit, als wenn heute jemand vom Reichstag aus das Reich wieder ausrufen würde: So lange eine andere Regierung noch offiziell an der Macht ist, ist so was ungültig. Wirksam war die Ausrufung der Republik am 9. November 1918 dennoch. Wie war das möglich in dieser rechtlich unmöglichen Konstellation? Die Antwort finden wir, wenn wir uns den Ablauf der Friedensverhandlungen und den Vertrag von Versailles ansehen. Die späteren Siegermächte haben derart auf die Abdankung des Kaisers bestanden, dass sie die Abdankung zur Bedingung für den Frieden gemacht haben. Es wirkt schon grotesk, dass sie sich geweigert haben, mit dem Kaiser Frieden zu schließen und statt dessen einer völlig unerfahrenen Regierung, die selbst nicht verantwortlich für den Krieg war, den Vertrag von Versailles aufgezwungen haben. 

Interessant ist dabei auch, dass in keinem Friedensvertrag seit 1919 das Wort "Reich" oder gar "Deutsches Reich" auftaucht. Es muss wohl wichtig gewesen sein, das Deutsche Reich und alles was mit ihm zu tun hatte, vollständig verschwinden zu lassen.

Da stellt sich doch die Frage: Warum sollten die Siegermächte 102 Jahre später ihre Meinung komplett ändern? Denn das müssten sie tun, wenn sie Deutschland nicht nur die Monarchie sondern auch die verlorenen Gebiete zurück geben sollen.

Spätestens hier sollte deutlich werden, dass Versuche, den staatlichen Schalter um 102 Jahre zurück zu legen, weltfremd und für den Frieden nicht gerade förderlich sind, gelinde gesagt.

Bei all diesen Überlegungen muss ich aber an ein dialektisches Gesetz denken, das wir in der DDR gelernt haben: Das Gesetz von der Negation der Negation. Es war das Gesetz, das mich von den drei dialektischen Gesetzen am meisten fasziniert hat. Es besagt, dass eine Gesellschaft etwas veraltetes ablegt und eine oder zwei Generationen später wird es wieder hervorgeholt und in besserer Weise angewendet. Es geht hier also um Fortschritt durch Anwenden alter vergessener Erfahrungen. 

Ich finde, es ist an der Zeit, das auch hier wieder anzuwenden. Statt Menschen, die Reichsfahnen zeigen, zu kriminalisieren, sollten wir uns mal anschauen, was es am System von 1871 bis 1918 Gutes gab. Vielleicht kann man das eine und andere heute erneut anwenden. Und vor allem darüber reden statt zu verbieten. Dann fühlen sich die Menschen gleich wieder ernster und mitgenommen.

 

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